Recycling allein ist es nicht, was Kreislaufwirtschaft ausmacht. Und anders als Kreislaufwirtschaft ist Recycling auch kein neues Thema in Häfen. Metallschrott beispielsweise wird in vielen Häfen seit Jahrzehnten sortiert und umgeschlagen. Im Hafen Amsterdam ist Kreislaufwirtschaft vor knapp zehn Jahren in den Fokus gerückt, nachdem nach der Bankenkrise 2008 deutlich weniger in Häfen investiert wurde. Um gegenzusteuern hat der Hafen 2016 einen Innovation Hub "Prodock" gegründet, dort viele ganz unterschiedliche junge Unternehmen zusammengebracht und mit ihnen Ideen entwickelt, wie die Wirtschaft am Standort angekurbelt werden könnte. „Schnell war klar, dass einer der vielversprechendsten Märkte die Kreislaufwirtschaft ist. Daraufhin brachten wir im Hub diverse Start-Up und Scale-Up-Unternehmen aus diesem Bereich zusammen und stellten fest, dass hier wirklich etwas geht, viele Innovationen zu beobachten sind“, beschreibt James Hallworth, Commercial Manager Circular & Renewable Industry, Port of Amsterdam, die Ausgangssituation. Längst hat der Hafen eine eigene Abteilung für dieses Geschäft gegründet.
Recyclingunternehmen selbst sind Treiber des Wandels. Sie sind mittlerweile nicht mehr nur Verwerter, sondern auch Hersteller von Rohstoffen, die direkt erneut in Produktionszyklen einfließen. „Gerade im rohstoffarmen Europa sind sie eine unverzichtbare Ressource“, meint Caroline Craenhals, CEO des Familienunternehmens Belgian Scrap Terminal mit Hauptsitz in Kallo bei Antwerpen. Unter anderem zwei Punkte sind ihr hier wichtig: Abfall nicht mehr als Müll, sondern als Rohstofflieferant zu sehen und Produkte bereits bei ihrer Gestaltung auch unter dem Aspekt der erforderlichen erneuten Nutzung der Rohstoffe zu betrachten, um Müll möglichst zu vermeiden. Für ihr Geschäft sind Häfen ideale Standorte, da sie häufig den erforderlichen Platz böten, Lärmbelastungen in der Umgebung eine untergeordnete Rolle spielten und sie gleichzeitig selbst eine Materialquelle seien.
Dem stimmt Prof. Dr. Elvira Haezendonck von der Vrije Universiteit Brussel und Präsidentin der International Association of Maritime Economists (IAME) zu. Sie weist darauf hin, dass industrie- und citynahe Häfen bessere Voraussetzungen für Urban Mining böten als solche auf der grünen Wiese. James Hallworth schränkt ein, dass die Flächen gerade dort knapp seien. Laut Elvira Haezendonck reichten aber zunächst kleinere Flächen aus, um Modelle zu testen.
Sie nennt die ersten Schritte einer Transformation, die grundsätzlich zu gehen sind: analysieren, welche Zukunftsvision ein Hafen hat, was bereits an Ausstattung und Umfeld vorhanden ist und was zur Umsetzung benötigt wird, welche wirtschaftlichen Erfolgsaussichten die Pläne haben, in welchem Zeitraum der Erfolg sichtbar werden soll und welche Mitstreiter vor Ort zu finden sind. Hier müssten auch bestehende Hafenkunden einbezogen werden. Industrieunternehmen in den Häfen sollten darüber hinaus untereinander nach neuen Symbiosen und Kooperationspartnern suchen. Elvira Haezendonck: „Häfen sollten ihre Vorreiterrolle ausnutzen. Schließlich haben sie seit Dekaden Erfahrung mit Recycling, einem wesentlichen Teil der Kreislaufwirtschaft.“
Dass der Weg hin zur Kreislaufwirtschaft richtig ist, ist bei allen unbestritten. Allerdings betonen James Hallworth und Piotr Konopka, Group Vice President Global Decarbonisation and Energy Programmes beim internationalen Terminalbetreiber DP World, dass die Balance mit dem bestehenden Hafengeschäft gewahrt werden müsse. Noch lebten die Häfen und Terminals vor allem von Logistikaktivitäten. Piotr Konopka weiter: „Das Konzept der Kreislaufwirtschaft muss in die Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen integriert werden, bestehende Regularien sind zu berücksichtigen und die Wirtschaftlichkeit darf nicht aus den Augen verloren werden. Aber wenn wir heute bereits diesen Weg beschreiten, sind wir für die Zukunft gut aufgestellt.“ Caroline Craenhals stimmt zu: „Jede Innovation muss auch marktfähig sein, Ökologie und Ökonomie müssen Hand in Hand gehen“.
Als komplex und zeitintensiv beschreiben die Teilnehmer die Periode des Übergangs. Hafenbehörden kommt dabei eine besondere Rolle zu. James Hallworth: „Wir sind die Flächenvermarkter. Wir können Unternehmen, die von einer Kreislaufwirtschaft profitieren und synergetisch miteinander agieren können, strategisch nah beieinander ansiedeln. Wir müssen Wertschöpfungsmöglichkeiten erkennen, CO2-Emissionen und Müll reduzieren.“ Gleichzeitig müssten sie Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigen, sich um Genehmigungen und die Akzeptanz im etablierten Hafengeschäft kümmern, Ziele definieren und überwachen und vieles mehr. Piotr Konopka ergänzt, dass Wertstoffkreisläufe nicht nur innerhalb der Häfen, sondern darüber hinaus gedacht werden müssten.
Ein weiterer entscheidender Aspekt: Kommunikation! Für Caroline Craenhals ist wichtig, dass jeder im Hafen weiß, welche Unternehmen und Möglichkeiten es vor Ort gibt. Piotr Konopka betont, dass jede Idee von Menschen lebt, die sie begeistert vorantreiben, Problembewusstsein schaffen und Mitstreiter gewinnen. Dies gelte in allen Bereichen jedes Unternehmens, des Hafens und darüber hinaus. Dazu gehörten etwa externe Betriebe und internationale Partnerschaften, die in Konzepte eingebunden werden könnten.
Um die Transformation zu beschleunigen, müssen sich das Denken in Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und auch der Blick über den jeweiligen Tellerrand verfestigen, so Elvira Haezendonck. Hafenbehörden müssten in die Entwicklung des Kreislaufgeschäfts investieren und letztendlich seien gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten existenziell. Dem stimmen die drei anderen Teilnehmer zu. James Hallworth hebt die derzeit fehlenden fairen Wettbewerbsbedingungen (linear vs. zirkulär) hervor, die zu einer ungerechten Benachteiligung vieler Unternehmen der Kreislaufwirtschaft führen. Hallworth betont außerdem die Notwendigkeit, die Diskussion über die sich wandelnde Rolle von Häfen fortzusetzen. Piotr Konopka stellt erforderliche Neugier und Kreativität aller Beteiligten in den Vordergrund und Caroline Craenhals weist darauf hin, dass Global Thinking zwar Zeit brauche, aber letztendlich die Oberhand gewinnen werde. Alle vier betonen, dass der Zusammenarbeit auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft eine erhebliche Rolle zukommt.
Das Fazit aller: Wenn der Wandel hin zu innovativen Zentren der Kreislaufwirtschaft gelingt, werden Häfen künftig neue Einnahmequellen haben neben dem traditionellen Logistikgeschäft, dessen Warenströme sich ebenfalls anpassen werden. So werden sowohl ihr wirtschaftlicher Erfolg gesichert als auch ihr ökologische Fußabdruck verringert und Häfen zukunftsfähig.
Die Zusammenfassung hat Wirtschaftsjournalistin Kerstin Zapp in unserem Auftrag erstellt.
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