CONNECTING PORTS #8: Der Weg zum autonomen Schifffahren

Autonome Schiffe transportieren effizient Güter entlang der Küsten, auf Binnengewässern und innerhalb von Städten. Klingt das nach Science-Fiction? In Norwegen, Belgien und auf dem Rhein ist dies bereits Realität. Der Kapitän steuert das Schiff von einem Kontrollzentrum an Land. Der wasserbasierte Transport wird derzeit auch in Paris und New York getestet. Während der achten CONNECTING PORTS Talkshow, die am 26. Juni 2024 von HPC Hamburg Port Consulting (HPC) veranstaltet wurde, tauchte Moderatorin Christina Prieser, Associate Partner bei HPC, gemeinsam mit drei Experten in die neuen Welten der Logistik ein.

„Niemand dachte, dass es funktionieren würde", erinnert sich Ørnulf Jan Rødseth, Geschäftsführer des Norwegischen Forums für Autonome Schiffe (NFAS), an die Anfangszeiten der selbstfahrenden, unbemannten Schiffe in Europa. Das 2012 initiierte, dreijährige EU-Projekt MUNIN (Maritime Unmanned Navigation through Intelligence in Networks) wurde von Deutschland und Norwegen ins Leben gerufen. Etwa ein Jahrzehnt später gibt es zwar noch keine autonomen Schiffe im Betrieb ohne Besatzung, doch „das wird sich wahrscheinlich 2026 ändern“, erwartet er. Norwegen gehört zu den Pionieren auf diesem Gebiet. Seit dem Frühjahr 2022 transportiert das weltweit erste semi-autonome Containerschiff mineralischen Dünger von der Yara-Produktionsstätte in Porsgrunn zum regionalen Exporthafen in Brevik. „Es ist autonom, fährt aber noch mit einer Crew von drei Personen und wird aus einem Kontrollzentrum fernbedient“, erklärt Rødseth.

„In Europa sind mehr als 40 Schiffe mit Seafar-Technologie ausgestattet, überwiegend Binnenschiffe, von denen die Mehrheit bereits mit reduzierten Besatzungen und Fernsteuerung betrieben wird“, berichtet Marc Holstein, Account Manager bei SEAFAR in Antwerpen und Leiter des 2024 in Duisburg eingerichteten Remote Operation Centers. Drei dieser Binnenschiffe navigieren den Rhein zwischen den Niederlanden und Bonn. Der Dienstleister und Technologieanbieter betreibt seit vier Jahren Schiffe mit reduzierter Besatzung und teilweise automatisierten Funktionen aus einem Kontrollzentrum. Die Nachfrage ist da, und das System lässt sich nahtlos in die bestehende Infrastruktur und den Verkehrsfluss integrieren, besonders in Belgien. Ein Zuschauer fragte nach der Schleusennavigation. Die Kommunikation erfolgt über mobiles VHF-Schiffsfunk, erklärt Holstein. Er ist überzeugt, dass in Zukunft automatisierte Kommunikation für autonome Schiffe notwendig sein wird. „Wenn wir wirklich von der Automatisierung profitieren wollen, müssen wir auch an der Automatisierung der Landseite denken, nicht nur an den Schiffen“, fordert Rødseth. Dies betrifft nicht nur Schleusen, sondern auch die Containerabfertigung in den Häfen.

Aus dem Publikum wird gefragt, ob europäische Seehäfen überhaupt autonome Schiffe abfertigen dürfen. Holstein erklärt, dass in Belgien sowohl der Hafen von Antwerpen als auch der Wasserwegebetreiber Vlaamse Waterweg Fernsteuerungsschiffe zulassen. In den Niederlanden haben die ersten Fernsteuerungsschiffe den Hafen von Amsterdam angelaufen. Für ein Projekt im Hafen von Hamburg sollen bald Genehmigungen von der Hafenbehörde und der Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) eingeholt werden. Antoon van Collie, CEO von ZULU Associates, das eine Flotte von emissionsfreien Binnen- und Küstenschiffen entwirft und derzeit aufbaut, berichtet aus Frankreich. Seit Mai 2024 haben die französischen Behörden ein Dekret erlassen, das den Betrieb autonomer Schiffe in französischen Hoheitsgewässern erlaubt. „Wir befinden uns in engen Gesprächen mit der staatlichen Wasserstraßenbehörde VNF (Voies Navigables de France) und den französischen Behörden, um hoffentlich im nächsten Jahr unbemannte oder teilweise unbemannte Schiffe zu betreiben“, sagt er.

Die Moderatorin wechselt nun zum Thema Stadtlogistik auf dem Wasser unter Verwendung von Fernsteuerungsschiffen und autonomen Schiffen. In New York ist geplant, Paletten in kleine Container auf kleinen Binnenfahrzeugen zu laden, die die Waren dann mit ihren Bordkränen auf Lastenräder oder Transporter für die letzte Meile übertragen. Van Coillie, der als Designer des Paletten-Shuttle-Barges an dem Projekt beteiligt ist, bemerkt eine „Veränderung im Denken hin zur Wiederverwendung von Wasserstraßen.“ Derzeit werden in Paris bereits zwei kleine ZULU-Binnenfahrzeuge für die urbane Logistik eingesetzt. Eines dieser Schiffe ist so ausgestattet, dass es auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Er sieht dieses Konzept auch für Städte wie Hamburg oder Berlin. In Norwegen plant der Lebensmittelhändler ASKO bis 2026, täglich 150 Anhänger vom Straßenverkehr auf das Wasser zu verlagern, indem zwei batterieelektrische, halbautonome RoRo-Schiffe im Oslofjord eingesetzt werden. „RoRo-Schiffe haben den Vorteil, dass sie nur minimale Infrastruktur benötigen“, betont Rødseth.

Die Moderatorin möchte nun untersuchen, wie Logistikprozesse in Häfen umgestaltet werden müssen, um autonome Binnenfahrzeuge zu integrieren, und verwendet als praktisches Beispiel den Transport von Containern von Lille über Gent, Antwerpen, Nijmegen bis nach Duisburg. Van Coillie stellt zunächst klar, dass ein autonomes, fernsteuerbares Schiff im Wesentlichen eine digitale Plattform ist. Aufgaben wie das Übermitteln von Aufträgen, die Auswahl der Schiffe und das Einreichen von Fahrplänen bei den Behörden können alle durch Daten gesteuert und organisiert werden. „In sehr naher Zukunft werden Teile dieser Prozesse noch manuell durchgeführt“, stellt er fest. Für die zukünftige Entwicklung in den kommenden Jahren sieht er die „sehr kostengünstige“ Datenanalyse als einen „wichtigen Hebel“.

Wie müssen Logistik und Planung geändert werden, um autonome Schiffe in bestehende Operationen zu integrieren? „Insbesondere wenn man bedenkt, dass Häfen sowohl mit bestehenden als auch mit autonomen Flotten parallel umgehen müssen“, fragt die Moderatorin. Rødseth schlägt vor, dass es entlang der norwegischen Küste besser wäre, weniger, aber hochautomatisierte Häfen für große Feederschiffe zu nutzen. Von dort aus sollte die Ladung auf kleinere autonome Schiffe umgeladen werden, die die Städte entlang der Fjorde bedienen.

Dokumentation stellt eine Herausforderung dar. Laut Holstein muss die Crew derzeit alle Dokumente an Bord ausfüllen, aber in Zukunft könnte dies vom Kontrollzentrum an Land übernommen werden. Van Collie hebt das EU-Projekt SEAMLESS hervor, das darauf abzielt, fehlende technologische Komponenten und Schlüsseltechnologien für die Küsten- und Binnennavigation zu entwickeln. Er weist darauf hin, dass die Betreiber der Binnenschifffahrt immer noch von Hand Papierdokumente ausfüllen – all dies muss auf einer digitalen Plattform zentralisiert werden.

Das Publikum ist neugierig, wie Ausfälle und Unfälle mit autonomen Schiffen verhindert werden können. Holstein erklärt, warum Fernsteuerung die Sicherheit erhöht, besonders für die Binnenschifffahrt: Eine achtstündige Schicht an Land ist für den Kapitän deutlich kürzer als die oft 12-14 Stunden langen Schichten an Bord, wodurch der Kapitän ausgeruhter und fokussierter ist. Rødseth erinnert sich an Unfälle mit Crewmitgliedern auf See. Automatisierung verringert die Belastung der Crew während eines „langweiligen 30-tägigen Kurses über den Pazifik“. Unerwartete, komplexe Situationen erfordern jedoch weiterhin menschliches Eingreifen – deshalb macht die Steuerung vom Land aus autonome Schiffe so sicher.

Die vollständige Sitzung von Connecting Ports #08 ist hier verfügbar.
Die Journalistin Kerstin Kloss  fasste die Veranstaltung für HPC zusammen.