"Die Digitalisierung der maritimen Wirtschaft hat lange auf sich warten lassen", verlangsamte Kapitän Subramaniam Karuppiah das Tempo zu Beginn der gut einstündigen Talkshow mit einem interkontinentalen Publikum. Der Generaldirektor der Port Klang Authority in Malaysia erinnerte an Probleme mit der Datenübertragung während der Pandemie. Als scheidender Präsident der International Association of Ports and Harbours (IAPH), der Anfang November vom Hamburger Hafenchef Jens Meier abgelöst wird, fordert er: "Wir müssen Informationen schnell übermitteln, damit die Unternehmen erfolgreich sein können."
Drei zukunftsweisende, digitale "Werkzeuge" stehen für die Navigation zur Verfügung - das Maritime Single Window (MSW), Port Community Systems (PCS) und Port Call Optimisation (PCO). Wie können sie genutzt werden, um auf Kurs zu bleiben? Der Moderator möchte zunächst von Kapitän Subramaniam Karuppiah wissen, was MSW und PCS unterscheidet. "Während das PCS den Frachtverkehr, den Hafenbetrieb und die logistischen Prozesse steuert, kommuniziert das MSW mit einer Vielzahl von Behörden", differenziert er. Für den Austausch von Waren müssten beide Systeme miteinander verbunden werden - alles andere als trivial.
Da die maritime Industrie auf dem Weg zur Digitalisierung viele Seemeilen zurücklegen muss, haben sich mehrere große Containerreedereien zusammengeschlossen, um 2019 die Digital Container Shipping Association (DCSA) zu gründen. Ihr Ziel: Standards zu setzen und so digitale Interoperabilität zu schaffen. Die Moderatorin fragt Slavia Jumelet, Product Manager for Operational Vessel Standards bei der DCSA in Amsterdam, welche Rolle MSW und PCS in der DCSA spielen. Die Daten müssen zwischen den verschiedenen Containerschifffahrtsgesellschaften fließen, sagt Slavia Jumelet, aber auch zu den Terminals und Häfen, die verschiedene Terminal Operating Systems (TOS) und die jeweiligen PCS dort unterstützen. "Wir stellen sicher, dass die von uns geschaffenen Standards tatsächlich funktionieren und für alle Parteien in der Lieferkette von Nutzen sind", betont sie.
"2.000 Häfen, 6.000 Terminals, 18.000 Frachtschiffe weltweit müssen täglich miteinander verabredet werden - rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr", umreißt Gerald Hirt die anspruchsvolle Aufgabe. Wenn Sie drei Personen nach der Definition der geschätzten Ankunftszeit (ETA) im Bestimmungshafen fragen, erhalten Sie unterschiedliche Antworten - und das macht es "unmöglich, effektiv zu arbeiten". Deshalb sieht der Geschäftsführer des Hamburg Vessel Coordination Center HVCC, das Mitglied der International Taskforce Port Call Optimisation (ITPCO) ist, den Datenaustausch zwischen Schiffen und Abfertigungsprozessen über Port Call Optimization als eine Revolution - weg von unverbundenen Systemen wie Telefon und E-Mails mit PDF-Anhängen, hin zu Standards. Ihm zufolge sind drei verschiedene Datengruppen für die maritime Digitalisierung entscheidend: neben digitalen Seekarten mit nautischen Daten nennt er Application Programming Interfaces (APIs) zum Austausch von Betriebsdaten und die MSW für den administrativen Datenaustausch mit Behörden.
Vom Hamburger Hafen bis zu globalen Standards ist es jedoch ein weiter Weg, zumal der Digitalisierungsgrad der einzelnen Häfen, Terminals, Spediteure und anderer Akteure sehr unterschiedlich ist, wie Slavia Jumelet betont. Für die Standardisierung schauen sie und ihre Kollegen sich die Prozesse sehr genau an: Welche Daten müssen in welcher Phase des Prozesses bereitgestellt werden, und wer muss darauf reagieren? "Der Sinn von Standards ist, dass alle Plattformen miteinander kommunizieren", erklärt sie. Kapitän Subramaniam Karuppiah stimmt zu, dass "die Standards dringend vereinheitlicht werden müssen", und zwar überall auf der Welt. Christina Prieser will das nicht so stehen lassen: Warum hat die Branche so lange gewartet und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) erlässt erst ab Januar 2024 eine Verordnung über eine MSW? Der Kapitän gibt zu, dass es "etwa fünf Jahre gedauert hat, sich auf die Umsetzung zu einigen". Er glaubt, dass dies daran liegt, dass "viele Häfen auf der ganzen Welt ihre eigenen Herausforderungen haben". Jetzt sollten die Länder und Häfen "selbständig Audits durchführen, um sicherzustellen, dass sie die geforderten Standards erfüllen", schlägt er vor. Die meisten Anwendungen für die MSW sind bereits etabliert, sagt er, und er sieht alles auf einem guten Weg.
Wie Gerald Hirt erklärt, fand HVCC 2009 eine Blaupause in der Luftfahrtindustrie: "Ihre Lösung bestand darin, einen kooperativen Ansatz für die Datenverfügbarkeit zu wählen und klare, genaue und transparente Informationen bereitzustellen." Bei sensiblen Daten funktioniert das natürlich nur mit gegenseitigem Vertrauen, Datenaustauschvereinbarungen und Cybersicherheit. Aber die Verantwortlichkeiten des sogenannten Dateneigentums erwiesen sich als das "größte Problem". Gerald Hirts Beispiel: Als HVCC 2018 begann, Daten mit dem Hafen von Rotterdam auszutauschen, dauerte die technische Einrichtung nur einen halben Tag. "Aber die Vereinbarungen zum Datenaustausch haben uns sechs Monate gekostet", sagt er.
Slavia Jumelet stellt eine Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit unter den DCSA-Gründungsmitgliedern und darüber hinaus fest: Gemeinsam mit anderen Organisationen wie dem internationalen Speditionsverband FIATA oder der Society for Worldwide Financial Communication SWIFT verfolgt der DCSA das Ziel, die Digitalisierung des internationalen Handels in der FIT Alliance zu standardisieren. Erster Erfolg: Inzwischen können die Daten des Buchungsprozesses automatisch in das elektronische Konnossement übertragen werden. Dadurch können die Terminals die Ladung effizienter und schneller abwickeln und den papierlosen Handel vorantreiben, sagt Slavia Jumelet.
Zwar waren sich alle Redner einig, dass die Schifffahrtsbranche noch einen weiten Weg in rauer See vor sich hat, wenn es um digitale Standards geht, dennoch hält Kapitän Subramaniam Karuppiah die angespannte geopolitische Lage "für kein großes Problem".
Die komplette Sitzung Connecting Ports #05 ist als Video verfügbarhier.